Peter Lichtefelds skurriler Reisefilm
ZUGVÖGEL
EINMAL NACH INARI
Von Christian Seebaum
Kölner Stadt-Anzeiger
Als der neue Chef ihm den bereits genehmigten Sonderurlaub verweigert, schlägt Hannes (Joachim Król)zu. Der sonst so ruhige und freundliche Dortmunder Bierfahrer sieht rot, weil sein grosses Ziel gefährdet scheint: die Teilnahme am 1. Internationalen Wettbewerb der Kursbuchspezialisten in Inari an der Nordspitze Finnlands. Dort gewinnt, wer alle die Abfahrtszeiten und Umsteigebahnhöfe auswendig zu nennen weiß, die einen Fahrgast schnellstmöglich von einem beliebigen Punkt in Europa an einen anderen bringen. Ohne Zeitverlust ans Ziel. Auf seiner - nun etwas überstürzt angetretenen - Fahrt nach Inari lernt Hannes jedoch, dass manchmal die Reise selbst wichtiger sein kann als der Zeitpunkt der Ankunft.
Ein “train movie” ist Peter Lichtefelds “Zugvögel”, eine zarte Liebesgeschichte unterwegs, verbunden mit einer Krimihandlung (der Chef wird tot aufgefunden, was Hannes in Mordverdacht bringt), die aber letztlich doch eher auf einem Nebengleis rangiert.
Im Vordergrund steht Hannes’ Beziehung zur Finnin Sirpa (Outi Mäenpää), die er im Zug kennenlernt, und in die er sich nach vorsichtiger Annäherung spätestens auf der Fähre nach Finnland heftig verliebt. So beschäftigt Hannes die Verfolgung durch die deutsche Polizei weit weniger als das plötzliche Verschwinden der rätselhaften Sirpa in Helsinki.
Beim Filmfestival der Kaurismäki-Brüder in einem Ort namens Sodankylä hatte Regisseur und Drehbuchautor Peter Lichtefeld die Idee zur Geschichte von “Zugvögel”. Und sein Debütfilm leugnet die
Vorbilder aus dem Norden nicht. Im Gegenteil: Nicht nur die weibliche Hauptrolle ist mit einer Kaurismäki-Schauspielerin besetzt, auch Kati Outinen (das “Mädchen aus der Streichholzfabrik”) und Kari Väänen
(“Wolken ziehen vorüber”) haben einen hübschen kleinen Gastauftritt: In einer improvisiert wirkenden “Original Kaurismäki”-Szene auf der Fähre holen sie Hannes an ihren Tisch, damit er eine Flasche Wein und
jede Menge Schwermut mit ihnen teile. Und dazu erklingt finnischer Tango.
Es sind die Details, die “Zugvögel” sehenswert machen, und jene in Filmen raren Momente von Echtheit, etwa wenn Hannes sich vorübergehend mit einem zwielichtigen Nachtschaffner (Oliver Marlo in einer
schönen, dann leider schnell aufgegebenen und nur für eine dünne Pointe wieder ausgegrabenen Nebenrolle) anfreundet und sie in einem unbesetzten Abteil mit Bierflaschen anstoßen. Joachim Król, der in bewährter Weise mit wenig Aufwand große Wirkung erzielt, erweist sich als Idealbesetzung für den sympathischen Sonderling und als stark genug, um den Film zu tragen. Und Peter Lohmeyer als Kommissar, der sich Hannes auf die Spur setzt, war kaum jemals besser.
“Zugvögel” ist ein ruhiger kleiner Film, der nie vorgibt, mehr zu sein als er ist. Und gerade die aus der Beschränkung der Mittel herrührenden Unzulänglichkeiten, wie die merkwürdige Kulisse beim Kursbuch-Quiz, geben ihm einen besonderen Charme. Das sieht man ihm eine gewisse Uneinheitlichkeit, erzählerische Unebenheiten oder kurze Durchhänger gerne nach. Denn hinter den kleinen Sprüngen und Rissen kann man
etwas erkennen, das den Film liebenswert macht: eine Seele. Eine finnische natürlich.
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WDR 3 TV TV-Erstausstrahlung
Mittwoch, 10.01.2001 · 23:15 - 00:35 h
ZUGVÖGEL ... EINMAL NACH INARI
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Kriminalkomödie D/FIN 1997
Mit Joachim Król, Outi Mäenpää, Peter Lohmeyer Nina Petri
Regie: Peter Lichtefeld
80 Min., FSK: ab 6
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Der Film erhielt 1998 beim Wettbewerb um den Bundesfilmpreis ein "Filmband in Silber" und zwei "Filmbänder in Gold", eins für die beste Kamera (Frank Griebe) und eins für den besten Nebendarsteller (Peter Lohmeyer).
TV-TODAY:
Zugvögel ... Einmal nach Inari
Introvertierter Fahrplanexperte entdeckt die Liebe - mit dem Filmband in Silber ausgezeichnetes Railroad-Movie
Für die Liebe hat Hannes Weber (Joachim Król) keine Zeit. Der schüchterne Eigenbrötler studiert lieber Kursbücher und berechnet die schnellsten Bahnverbindungen. Sein Ziel ist der Sieg beim 1. Internationalen Fahrplanwettbewerb im finnischen Inari. Per Bahn und Schiff macht er sich auf den Weg nach Lappland - ohne zu wissen, dass Kommissar Frank (Peter Lohmeyer) ihm auf den Fersen ist, weil er ihn für einen Mörder hält. Unterwegs lernt Weber die Finnin Sirpa (Outi Mäenpää) kennen. Er verliebt sich in die verheiratete Rosenliebhaberin und erkennt, dass die schnellste Bahnverbindung nicht unbedingt die beste ist.
"Zugvögel ... Einmal nach Inari" ist der Auftakt zu der Reihe "Avanti Debütanti". Bis zum 27.1.2001 zeigt der WDR mittwochs und samstags sechs Filme von sechs Nachwuchsregisseuren.
Fazit:
Mit leisem Humor ruhig erzählt. Eine poetische Geschichte über Langsamkeit, kleine Träumereien und die große Liebe.
Mehr Informationen:
Votivkino-Archiv
Aus dem Presseheft: Zugvögel
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